Fachtagung des Bundesministeriums für Gesundheit »Zuwanderung als Patentlösung für die Fachkräftesicherung im deutschen Gesundheitswesen?«: Experten plädieren für optimierte Anerkennungsverfahren und hohe Qualitätsstandards

Fachtagung des Bundesministeriums für Gesundheit: »Zuwanderung als Patentlösung für die Fachkräftesicherung im deutschen Gesundheitswesen?«

Fachtagung des Bundesministeriums für Gesundheit: »Zuwanderung als Patentlösung für die Fachkräftesicherung im deutschen Gesundheitswesen?«

Das Bundesgesundheitsministerium hat am 27. November 2018 in Berlin eine Fachtagung ausgerichtet. Rund 250 Teilnehmer folgten der Einladung. Insbesondere standen Fragen des Anerkennungsrechts, der Verfahrenspraxis und der Anerkennungsqualifizierung im Mittelpunkt. Die unter Federführung von saaris e.V. organisierte Tagung fand in Zusammenarbeit mit dem für die Anerkennung ausländischer Bildungsabschlüsse zuständigen Fachreferat des Bundesbildungsministeriums statt.

Eröffnet wurde die Fachtagung durch die Gesundheitsministerin des Saarlandes, Monika Bachmann, und durch den Leiter der Zentralabteilung Europa und Internationales des Bundesministeriums für Gesundheit, Ingo Behnel.

Wie gelingt die Integration ausländischer Ärztinnen und Ärzte bei gleichzeitiger Versorgungssicherheit?

Eine der zentralen Fragen des Forums griff Dr. Joachim Seybold, stellvertretender Ärztlicher Direktor der Charité Universitätsmedizin Berlin, auf und führte aus, dass berufliche Integration sich an hohen fachlichen und sprachlichen Qualitätsanforderungen ausrichten müsse und sehr gut kontinuierlich gelingen könne, wenn der Anerkennungsprozess fachlich-kollegial adäquat begleitet wird.

Ein klares Plädoyer für hohe Qualitätsstandards

Tobias Nowocyzn, Hauptgeschäftsführer der Bundesärztekammer, konstatierte, dass die Erlangung der Approbation für aus dem Ausland kommende Ärztinnen und Ärzte auf einer profunden Prüfung der Voraussetzungen beruhen müsse. Hier hätten die Fachsprachprüfungen der Landesärztekammern zur Qualitätssicherung beigetragen ebenso wie die durch Universitätsklinika durchgeführten Kenntnisprüfungen. Tobias Nowoczyn verwies darauf, dass in vielen anderen Ländern die Ablegung eines Examens notwendige Voraussetzung für die Erteilung einer Berufszulassung sei. In den USA beispielsweise könne keine ärztliche Tätigkeit ausgeübt werden, ohne dass zuvor das amerikanische Examen vollständig abgelegt worden sei. Dies setze selbstverständlich die exzellente Kenntnis der Landessprache voraus. Bei Anerkennungsverfahren gelte es immer, sich an hohen Qualitätsstandards zu orientieren. Die Verfahren über Gutachterpraxen bzw. die Prüfung nach Papiervorlage könnten immer auch fehleranfällig sein. Der Hauptgeschäftsführer der Bundesärztekammer verwies damit zugleich auf die Forderungen sehr vieler Landesärztekammern und die Beschlussfassungen des 121. Deutschen Ärztetags zu dieser Thematik.

Anerkennungsqualifizierungen können rasch, kostengünstig und effektiv sein

Expertenforum zur erfolgreichen Qualifizierung und Integration von ausländischen Ärztinnen und Ärzten auf der Fachtagung des Bundesgesundheitsministeriums · Foto: Andrew Grauman / nplusevent

Expertenforum zur erfolgreichen Qualifizierung und Integration von ausländischen Ärztinnen und Ärzten auf der Fachtagung des Bundesgesundheitsministeriums · Foto: Andrew Grauman / nplusevent

Barbara Rosenthal, mibeg-Institut Medizin, zeigte auf, dass sich Anerkennungsqualifizierungen an hohen Qualitätsstandards ausrichten müssten. Ihr Institut habe Gesundheitsfachkräfte aus 80 Ländern beraten und auf ihre berufliche Anerkennung vorbereitet. Die aus dem Ausland kommenden medizinischen Fachkräfte entfalteten einen großen kulturellen Reichtum, aber in Hinblick auf das Ziel der Anerkennungsqualifizierungen, Gleichwertigkeit im angestrebten Berufsfeld zu erlangen, sei dies nicht der Fokus. Nationalität sei keine Kategorie der Medizin, sondern Wissenschaftlichkeit, Evidenzbasiertheit und das Wohl des Patienten. Beim ärztlichen Handeln komme es auf das bestmögliche Tun an. Von daher bedürfe es immer der hohen sprachlichen, fachsprachlichen und fachlichen Kompetenz bei der Patientenversorgung. Dass dies rasch, kostengünstig und effektiv realisiert werden kann, belegen die Programme des mibeg-Instituts.

Curricula für erfolgreiche Integration liegen vor

Mit Unterstützung durch das Förderprogramm IQ habe das mibeg-Institut Medizin für alle reglementierten Gesundheitsberufe, insbesondere im Bereich der Medizin und Pflege, Qualifizierungen entwickelt, die eine rasche und effiziente Einmündung in den hiesigen Arbeitsmarkt ermöglichen. Eine solche Integration setze eine gute Zusammenarbeit aller Akteure im Integrationsprozess voraus. Mit dem Schwerpunkt zunächst für Nordrhein-Westfalen seien im Zusammenspiel mit den Ärztekammern, dem Pflegerat und weiteren Expertengremien der verschiedenen Gesundheitsberufe Konzepte entwickelt worden, die in guter Zusammenarbeit mit den Bezirksregierungen und dem Landesprüfungsamt realisiert werden konnten. Über 2200 beratene Gesundheitsfachkräfte, über 1700 Teilnehmer, die in Seminaren über ihre Anerkennungsmöglichkeit informiert worden seien, sowie über 730 Absolventen, die sich mit einer Erfolgsquote von 81,3 % anspruchsvollen Fachsprach- und Kenntnisprüfungen gestellt hätten, würden bestätigen, dass Anerkennungsqualifizierung schnell, zielgerichtet und kostengünstig möglich sei, ohne dass Abstriche bei der fachsprachlichen oder fachlichen Kompetenz gemacht werden müssten. Schließlich gelte es, auf einen anspruchsvollen Arbeitsmarkt hin zu qualifizieren, der durch eine hohe medizinische Leistungsverdichtung, kurze Verweildauern von Patienten und hohe Qualitätsstandards in der Patientenversorgung gekennzeichnet sei.

Zentrale Kompetenzbündelung bei der Erstellung von Anerkennungsbescheiden

Die Anforderungen, denen sich die Gutachtenstelle für Gesundheitsberufe stellen müsse, verdeutlichte Susanne Bornhöft (GfG). Eine Kompetenzbündelung helfe allen zuständigen Stellen und Akteuren im Anerkennungsprozess, das bei der Gutachtenerstellung notwendige Wissen abrufbar aufzubereiten, sodass zunehmend kurzfristiger Stellungnahmen verfasst werden könnten, die auf entsprechenden Wissensdatenbanken beruhen. Sie referierte zugleich die personelle Ausstattung der Gutachtenstelle, die entsprechend erhöht werden müsse, wenn mehr Anfragen beantwortet werden sollen. Nur so könnten langfristig Verfahrenswege optimiert und den zuständigen Stellen Datensicherheit für zu erstellende Bescheide vermittelt werden. Dass Verfahrensbeschleunigungen bei der Gutachtenstelle und bei den zuständigen Stellen nur möglich seien, wenn zugleich die Personal- und Ausstattungsressourcen erhöht werden, betonte in diesem Zusammenhang Barbara Rosenthal.

BMG-Fachtagung 2018

BMG-Fachtagung 2018

An Gesundheitsfachkräfte werden hohe sprachliche Anforderungen gestellt

Iris Beckmann-Schultz von der IQ Fachstelle Berufsbezogenes Deutsch wies besonders auf die Bedeutung der Sprachkompetenz bei der beruflichen Integration und die durch das BAMF geförderten Deutschkurse hin. Ein Statement für Qualität in Sprachlernprozessen gab Anke Kleinschmidt vom Goethe-Institut, München, ab. Vor der Fachsprache stehe der umfangreiche Erwerb der allgemeinsprachlichen Kompetenz. Der Erwerb sprachlicher Kompetenzen benötige entsprechend gut ausgebildetes Personal und immer auch eine längere Zeitachse, wenn das Niveau B2 / C1 erreicht werden solle. Selbstverständlich sei es sinnvoll, nach Möglichkeit bereits mit dem Spracherwerb im Herkunftsland zu beginnen. Die Goethe-Institute hielten entsprechende Angebote bereit, auch hier komme es auf entsprechende personelle Ressourcen an. Gute allgemeinsprachliche Kompetenzvermittlung knüpfe immer an die Lebenswelten der Teilnehmer an und nehme Bezug zu beruflichen Themen und Zielen und versuche, diese sprachlich einzuüben. So wie der gute Deutschunterricht nur durch entsprechend sprachwissenschaftlich befähigte Dozenten erfolgen könne, so könne ein gelingender fachsprachlicher Unterricht nur durch ein entsprechend interdisziplinäres Team ausgestaltet werden.

Kranken- und Altenpflege fordert rasche und einheitliche Anerkennungsverfahren

Auf die Notwendigkeit einer bundesweit einheitlichen und raschen Verfahrenshandhabung bei der Antragstellung auf Gleichwertigkeit im Bereich der Pflege zielte das dritte Tagungsforum. Sprachliche, fachsprachliche und fachliche Qualitätsanforderungen müssten bei der Integration ausländischer Pflegefachkräfte im Mittelpunkt stehen. Ermutigend seien die erfolgreichen Qualifizierungs- und Integrationsprojekte, die insbesondere Geflüchteten Chancen auf Teilhabe am Arbeitsmarkt eröffneten.

Dass es längst optimierte Verfahrenswege im Bereich der Gleichwertigkeitsprüfung von ausländischen Pflegekräften gebe, wurde durch Statements aus dem Auditorium deutlich. Die in der Bezirksregierung Düsseldorf zuständigen Dezernenten für die Anerkennung akademischer und nicht-akademischer Heilberufe, Constanze Lernhart und Lukas Schmülling, wiesen auf die erfolgten Optimierungen in NRW hin, die zu einer erheblichen Verfahrensbeschleunigung beitrügen. Gleichzeitig seien Qualifizierungswege entwickelt worden, die über modularisierte oder kompakte Seminarformen zielgerichtet zu Abschluss- oder Kenntnisprüfungen führten. Diese würden jetzt vom mibeg-Institut Medizin für die Regelförderung vorbereitet, sodass die in NRW etablierten Modelle eine dauerhafte Integrationsmöglichkeit böten.

Durch die Tagung führte der Journalist und Moderator Ali Aslan.

 

Programm
Block I: Eröffnungsansprachen
10:00 Uhr Monika Bachmann, Ministerin für Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie des Saarlands
10:10 Uhr Ingo Behnel, Leiter Zentralabteilung Europa und Internationales, Bundesministerium für Gesundheit, Berlin
Block II: Perspektiven durch ausländische Fachkräfte im Gesundheitsmarkt
10:20 Uhr„Integration zwischen Wunsch und Wirklichkeit!“ – Weichenstellungen für eine effektive berufliche Eingliederung ausländischer Fachkräfte in die Gesundheitswirtschaft
Ina Wietheger, Unternehmensberatung Roland Berger & Partner, Frankfurt
10:35 Uhr Asylbewerber und Flüchtlinge als Potenzialträger in Deutschland? Wege und Hürden der beruflichen Integration in der Praxis
Dr. Andrea Kuckert-Wöstheinrich, St.-Augustinus-Memory-Zentrum, Neuss
10:50 Uhr„Gründlichkeit vor Schnelligkeit?“ – Wie kann die Integration ausländischer Fachkräfte in den Gesundheitsberufen effektiver erfolgen?
Dr. Joachim Seybold, stellv. Ärztlicher Direktor Charité Universitätsmedizin Berlin
11:05 Uhr„Holzweg oder Königsweg?“ – Zur Praxis der beruflichen Integration ausländischer Fachkräfte
Christoph Lang, Geschäftsführer saarland.innovation&standort e.V., Saarbrücken
11:25 Uhr Moderierte Diskussion
Block III: Moderierte Fachforen
13:00 Uhr / Forum 1: Humanmedizin
Impuls: „Zwischen Integrationsabsicht und Versorgungssicherheit in der medizinischen Versorgung!“ – Chancen und Risiken der Integration ärztlicher Fachkräfte aus dem Ausland
Tobias Nowoczyn, Hauptgeschäftsführer der Bundesärztekammer, Berlin
Projektforum:
Diskussion von Lösungsansätzen für die erfolgreiche Qualifizierung und Integration von ausländischen Ärztinnen und Ärzten
Tobias Nowoczyn, Hauptgeschäftsführer der Bundesärztekammer, Berlin
Barbara Rosenthal, mibeg-Institut Medizin, Köln
Susanne Bornhöft, Referatsleiterin Gutachtenstelle für Gesundheitsberufe, Bonn
RA Adrian Sirghita LL.M., Kanzlei für ärztliches Berufszulassungsrecht, Hamburg
Maja Rentrop-Klewitz, Bundesministerium für Bildung und Forschung, Berlin
13:55 Uhr / Forum 2: Sprachvermittlung
Impuls: Gute Sprachkenntnisse sind die Grundvoraussetzung für eine gelungene berufliche Integration. Zwischen Qualitätsversprechen und Alltag
Iris Beckmann-Schultz, IQ Netzwerk / Fachstelle berufsbezogenes Deutsch, Hamburg
Projektforum:
Diskussion von Lösungsansätzen für die erfolgreiche Sprachvermittlung
Iris Beckmann-Schultz, IQ Netzwerk / Fachstelle berufsbezogenes Deutsch, Hamburg
Dr. Neda Sheytanova, IQ Landesnetzwerk Saar, Saarbrücken
Dr. Nina Rother, Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Nürnberg
Radka Lemmen, telc gGmbH, Frankfurt am Main
Jürgen Herdt, Ärztekammer Westfalen-Lippe, Münster
Anke Kleinschmidt, Goethe-Institut, München
14:50 Uhr / Forum 3: Kranken- und Altenpflege
Impuls: Berufliche Integration ohne ausbildungsbegleitende Angebote? – Strategien zur Erschließung des Beschäftigungspotenzials von Geflüchteten und Migranten in Pflegeberufe
Birgit Naase, Leiterin Abteilung Pflegeversicheurng, Prävention, Bundesministerium für Gesundheit, Berlin
Projektforum:
Diskussion von Lösungsansätzen für die erfolgreiche Qualifizierung und Integration von ausländischen Pflegefachkräften
Birgit Naase, Leiterin Abteilung Pflegeversicherung, Prävention, Bundesministerium für Gesundheit, Berlin
Birgit Pätzmann-Sietas, Präsidium Deutscher Pflegerat e.V., Berlin
Marco Hahn, Schulleiter der Berufsfachschule Paulo Freire im Zentrum Überleben, Berlin
Dr. rer. cur. Annette Lauber, Robert-Bosch-Krankenhaus, Stuttgart
Astrid Klein-Nalbach, Diakonisches Werk an der Saar, Neunkirchen (Saar)
Prof. Franz Lorenz, Saarland-Heilstätten Gesellschaft, Saarbrücken
Block IV: Moderierte Abschlussdiskussion
16:10 Uhr Weder Selbstläufer noch Patentlösung. Zukunftsperspektiven im Umgang mit ausländischen Fachkräften in der deutschen Gesundheitswirtschaft
Dr. Sonja Optendrenk, Leiterin Leitungsabteilung, Bundesministerium für Gesundheit, Berlin
Maja Rentrop-Klewitz, Bundesministerium für Bildung und Forschung, Berlin
Dr. Joachim Seybold, stellv. Ärztlicher Direktor, Charité Universitätsmedizin Berlin
Christoph Lang, Geschäftsführer saaris e.V., Saarbrücken
Alfons Vogtel, Geschäftsführer Saarland-Heilstätten Gesellschaft, Saarbrücken
Ruth Wichmann, Leiterin Auslandsreferat, Marburger Bund, Berlin