Deutsche Ärztetage sind für Gesundheitsminister nicht vergnügungssteuerpflichtig. Das war schon zu den Zeiten der berühmten sieben Seehofer-Minuten so, und es ist heute nicht anders. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach durfte sich diesbezüglich dieses Jahr einen Eindruck verschaffen. Er zählte die vielen Versäumnisse auf, die durch die mangelnde Digitalisierung des Gesundheitswesens bei gleichzeitiger vermehrter Ökonomisierung entstanden sind. Diese Analyse teilen sicher viele. Interessant wird jetzt, welche Lösungsvorschläge die Politik auf den Weg bringt. Die Entbudgetierung der Kinderheilkunde ist sicher ein wichtiges Projekt, aber ob dies ohne weiteres auf die Allgemeinmedizin zu übertragen ist, bliebe noch zu klären. Jedenfalls forderte Lauterbach: »Die Ökonomie darf die Medizin nicht dominieren.«
Der Gesundheitsminister des Landes Nordrhein-Westfalen, Karl Josef Laumann, hatte es da leichter und rockte den Saal mit der ihm eigenen bravourösen Rhetorik. NRW hat in den letzten Jahren in Bezug auf die Krankenhausreformen sehr viel vorgelegt. Laumann ließ keinen Zweifel daran, dass man dieses Vorhaben zugunsten neuerer bundespolitischer Überlegungen nicht einfach aufgeben werde. So erklärte er gegenüber seinem Ministerkollegen auf Bundesebene: »Ich finde, wir beide haben eine Verantwortung, dass die Krankenhäuser anschließend auch mit dem umgehen können, was wir da machen.« Deshalb gehe es nun darum, eine in Nordrhein-Westfalen seit Jahren vorbereitete Krankenhausreform mit den Plänen des Bundesgesundheitsministeriums vernünftig zusammenzuführen. »Wenn es einfach wär’, dann könnte es ja jeder – dann müssten wir beide es nicht machen.«
Der 127. Deutsche Ärztetag wurde durch den Präsidenten der Ärztekammer Nordrhein, Rudolf Henke, in der Philharmonie Essen eröffnet. Der diesjährige Ärztetag wird durch die Ärztekammer Nordrhein ausgerichtet. Der Kammerpräsident und erfahrene Gesundheitspolitiker hob in seiner Eröffnungsrede gezielt das wichtige Thema Prävention hervor: »Meiner Ansicht nach brauchen wir angesichts zunehmender lebensstilbedingter und altersabhängiger Erkrankungen eine politische Strategie, wie wir Verhaltens- und Verhältnisprävention im Rahmen eines Health-in-All-Policies-Ansatzes stärken und Gesundheitskompetenz in allen Lebenswelten fördern können. Hier können wir mehr tun, hier müssen wir mehr tun. Und wir Ärztinnen und Ärzte sind sehr bereit, uns hier aktiv einzubringen.« Henke forderte den Aufbau praxisorientierter Ernährungs-, Gesundheits- und Medienkompetenz in Schulen und den Ausbau des Breitensports, damit Deutschland nach Corona wieder in Bewegung komme.
Wir wünschen dem Ärztetag einen erfolgreichen Verlauf.