Anerkennung: Fachkräftemangel

Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung IAB: Der reale Fach- und Arbeitskräftemangel

Trotz Rekordbeschäftigung, schwächelnder Konjunktur und über 2,5 Millionen Arbeitslosen hat der Mangel an Fach- und Arbeitskräften ein bisher ungekanntes Ausmaß erreicht, schreibt das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung IAB in einem aktuellen Beitrag. Er dürfte sich in Zukunft angesichts der demografischen Entwicklung noch verschärfen. Höhere Löhne können das Problem allenfalls mit zeitlicher Verzögerung lindern, aber mitnichten kurzfristig lösen. Eine mehrgleisige Strategie ist unabdingbar.

Die Zahl der abhängig Beschäftigten hat mit 41,7 Millionen im dritten Quartal 2022 einen neuen Höchststand erreicht. Der Einbruch während der Corona-Krise ist damit vollständig überwunden. 2019 waren es 41,1 Millionen, 2015 erst 38,7 Millionen, somit kam es zwischen 2015 und 2022 zu einem beträchtlichen Zuwachs von 7,7 Prozent.

Das bedeutet, dass schon seit geraumer Zeit von Jahr zu Jahr mehr Menschen einer abhängigen Beschäftigung nachgehen. Der Arbeitskräftemangel rührt also nicht etwa daher, dass weniger Menschen arbeiten würden. Neben dem Anstieg der Beschäftigungsquote – vor allem von Frauen und Älteren – und der Zuwanderung wurde der Anstieg der Beschäftigung durch einen Rückgang der Arbeitslosigkeit ermöglicht.

Anerkennung ausländischer Pflegefachkräfte in NRW: »Klägliche Anzahl«

Durch das mibeg-Institut über das Programm IQuaMed in NRW qualifizierte Pflegefachkräfte

Durch das mibeg-Institut über das Programm IQuaMed in NRW qualifizierte Pflegefachkräfte

Thorsten Klute, gesundheitspolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion NRW, bewertete die Anzahl der anerkannten ausländischen Fachabschlüsse in der Pflege als »kläglich«. Laut Klute, so KMA Online, sei die Zahl der Antragstellenden zwar erfreulich, aber in Hinblick auf die 24.000 fehlenden Fachkräfte in NRW, die die Deutsche Stiftung Patientenschutz ermittelt hat, ist die Anzahl der Berufszulassungen verschwindend gering.

Die Landesregierung beantwortete eine Kleine Anfrage zur Anerkennung ausländischer Fachabschlüsse in der Pflege im Herbst 2022 wie folgt:

Zum 1. Juli 2021 wurden die Anerkennungsverfahren in den Gesundheitsberufen zur Bezirksregierung Münster hin zentralisiert. Im Zeitraum vom 1. Juli 2021 bis zum 15. August 2022 wurden 6.166 Neuanträge auf berufliche Anerkennung in einem Pflege- oder Gesundheitsfachberuf gestellt. Die meisten dieser Anträge kamen aus einem Drittstaat: Insgesamt 5.551 Anträge kamen nicht aus dem Bereich der Europäischen Union bzw. dem Europäischen Wirtschaftsraum.

Da eine Bearbeitung eines Antrags erst erfolgt, wenn dieser vollständig ist, konnten von den 6.166 Anträgen nur 2.530 Anträge bearbeitet werden. Kann keine Gleichwertigkeit konstatiert werden, erfolgt die Erstellung eines Zwischenbescheids, der die festgestellten theoretischen und praktischen Anpassungsbedarfe festhält. Diese müssen dann in einem »Anpassungslehrgang« oder durch eine »Eignungs- oder Kenntnisprüfung« ausgeglichen werden. Ist der Ausgleich hergestellt, kann die Gleichwertigkeit mit einem Bescheid festgestellt werden.

Von den 6.166 Neuanträgen konnten 434 Anträge positiv beschieden werden. Davon konnte bei 384 Anträgen direkt die Gleichwertigkeit festgestellt werden, und weitere 50 Antragstellende konnten einen Ausgleich über Anpassungsleistungen erzielen.

Wenn also politisch permanent vom Fachkräftemangel insbesondere im Gesundheitswesen gesprochen wird und ein Großteil der neu zu gewinnenden Fachkräfte aus Drittstaaten stammt, ist bei der vergleichsweise hohen Anzahl von Interessenten das Ergebnis in der Tat in Nordrhein-Westfalen äußerst kläglich.

In einem Jahr konnten ganze 50 Fachkräfte ihre Anerkennung durch Qualifizierung oder Prüfung erwerben.

Was die Landesregierung nicht beantwortet, ist die Frage, wie viele Antragsstellende bei einer Eignungs- oder Kenntnisprüfung ihr Ziel nicht erreichen. Die Nichtbestehensquoten sind, von Modellprojekten auf der Basis guter Qualifizierungs-Curricula einmal abgesehen, nicht nur bei den Pflege- und Gesundheitsfachkräften, sondern auch bei den Angehörigen akademischer Heilberufe in NRW exorbitant hoch.

Die Gesundheitseinrichtungen in Nordrhein-Westfalen sind gespannt, welche praktischen Schlussfolgerungen aus diesen Zahlen gezogen werden.

Großer Fachkräftemangel bevorstehend

Unter Berufung auf aktuelle Daten verschiedener Arbeitsmarktforschungsinstitute berichtet tagesschau.de über die gravierenden Veränderungen, die auf den deutschen Arbeitsmarkt zukommen.

Der akute Fachkräftemangel, der derzeit schon Bereiche wie die Pflege oder das Handwerk betrifft, werde sich in den nächsten 15 Jahren weiter verschärfen. Die Wirtschaft blicke mit Sorge auf den Renteneintritt der geburtenstarken Jahrgänge in den Fünzigern und Sechzigern, die zu den sogenannten Babyboomern zählen.

Jetzt hat das Statistische Bundesamt neue Zahlen dazu vorgelegt. In den kommenden 15 Jahren werden 12,9 Millionen Erwerbstätige das Renteneintrittsalter überschritten haben. Das sind rund 30 Prozent der derzeit dem Arbeitsmarkt zu Verfügung stehenden Personen, bezogen auf das Jahr 2021.

Die Bundesregierung setzt beim Fachkräftemangel auch auf mehr Zuwanderung und plant dazu eine Reform des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes (FEG). Ziel ist, den Fachkräftezuzug aus dem Ausland zu erleichtern. Schätzungen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit (IAB) zufolge braucht es jedes Jahr einen Zuzug von rund 400.000 Arbeitskräften in Deutschland, um die Lücken am Arbeitsmarkt wegen der alternden Bevölkerung zu decken.

Auch in den Berufen, die aktuell noch mehr Arbeitslose als offene Stellen aufweisen, könnte sich eine hohe Personalnachfrage entwickeln. Dazu zählen laut Kompetenzzentrum für Fachkräftesicherung (KOFA) beispielsweise Fachkräfte in der Physiotherapie.

WHO: Fast sechs Millionen Pflegekräfte fehlen weltweit

Nach aktuellen Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) fehlen weltweit fast sechs Millionen Pflegekräfte in Krankenhäusern, Heimen und sonstigen Einrichtungen. In ihrem zum Weltgesundheitstag vorgelegten Report »The State of the World’s Nursing 2020« fordert die WHO angesichts der Corona-Pandemie eine zügige Aufstockung. Generaldirektor Tedros Adhanom Ghebreyesus betonte, die Pflegekräfte bildeten das Rückgrat jedes Gesundheitssystems. Die größten personellen Lücken gebe es in Afrika, Südost-Asien, im Nahen und Mittleren Osten sowie in Teilen Lateinamerikas.

Das Fachkräfteeinwanderungsgesetz: Wichtige Eckpunkte

Anerkennungsberaterinnen und Anerkennungsberater, Arbeitsvermittlungsexperten der Agenturen für Arbeit und Jobcenter kennen die Eckpunkte des neuen Fachkräfteeinwanderungsgesetzes (FEG) bereits sehr gut. Das FEG tritt am 1. März 2020 in Kraft und wird von umfassenden medialen Kampagnen begleitet. Das Ziel des Gesetzes ist es, einen Rahmen zu schaffen für eine, wie das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat sagt, »gezielte und gesteigerte Zuwanderung von qualifizierten Fachkräften aus Drittstaaten«. Geworben werden soll um Hochschulabsolvent/innen und um Personen, die bereits in ihrem Herkunftsland eine qualifizierte Berufsausbildung abgeschlossen haben.

  • Wer im Ausland sein Studium oder seine Berufsausbildung abgeschlossen hat, sollte eine mit hiesigen Abschlüssen vergleichbare Qualifikation vorweisen können oder aber eine Anerkennung seines Berufs in Deutschland erwerben.
  • Die Anerkennung von Abschlüssen kann bereits aus dem Ausland heraus beantragt werden. Ein Anerkennungsverfahren prüft die Gleichwertigkeit. Das Gesetz sieht eine besondere Regelung hierbei für IT-Spezialisten vor.
  • Die Vorrangprüfung entfällt angesichts der als positiv eingeschätzten Arbeitsmarktlage. Es wird also nicht mehr geprüft, ob vor der Einstellung einer Fachkraft aus einem Drittstaat nicht ein inländischer oder EU-Bewerber zur Verfügung steht. Hier behält sich der Gesetzgeber vor, bei einer veränderten Arbeitsmarktsituation diese Vorrangprüfung schnell wieder einzuführen.
  • Arbeitssuchende aus Drittstaaten können aus dem Ausland heraus ein Visum beantragen. Wird dieser Aufenthalt zur Arbeitssuche genutzt, umfasst er einen Zeitraum von sechs Monaten. Die Voraussetzungen hierfür sind eine entsprechende berufliche Qualifikation, also ein abgeschlossenes Studium oder eine Berufsausbildung im Herkunftsland, deutsche Sprachkenntnisse und der Nachweis der Möglichkeit, den Lebensunterhalt selbst zu finanzieren. Diese Regelung ist zunächst auf fünf Jahre befristet.
  • Wird die Aufenthaltserlaubnis zum Zweck der Studienplatzsuche gewährt, umfasst der Zeitraum neun Monate. Auch hier müssen der Lebensunterhalt gesichert sein und deutsche Sprachkenntnisse nachgewiesen werden.
  • Reisen Antragsteller zum Zwecke der Ausbildung ein und können auf eine entsprechende Ausbildungsplatzzusage verweisen, kann die Aufenthaltserlaubnis auch bereits vor Beginn der Ausbildung zur Teilnahme an einem Deutschsprachkurs ausgestellt werden.
  • Wer aus dem Ausland heraus ein Visum zur Ausbildung- oder Arbeitsplatzsuche beantragt, muss nachweisen, dass er den Lebensunterhalt während seines Aufenthalts, ggf. auch den seiner mitreisenden Familienangehörigen, selbst sichern kann.
  • Antragstellende, die älter als 45 Jahre sind, müssen monatlich einen Mindestbetrag verdienen oder eine entsprechende Altersvorsorge nachweisen.
  • Wer aus dem Ausland heraus ein Visum für eine befristete Zeit zur Arbeitsplatzsuche in Deutschland beantragt, muss neben der Lebensunterhaltssicherung deutsche Sprachkenntnisse nachweisen.
  • Nicht nur die Gleichwertigkeit der Qualifikation soll geprüft werden, sondern das Gesetz will auch dafür Sorge tragen, dass die Arbeitsbedingungen geprüft werden. Damit ist u.a. eine angemessene Bezahlung der neuen Fachkräfte intendiert, damit ein »Lohndumping« vermieden wird.
  • Das Fachkräfteeinwanderungsgesetz möchte die sog. Anerkennungsverfahren auf Gleichwertigkeit vereinfachen und beschleunigen. Die Zuständigkeit für Fachkräftezuwanderung soll bei zentralen Ausländerbehörden der Länder gebündelt werden. Zudem soll eine zentrale Servicestelle erprobt werden, die zu den Möglichkeiten der Anerkennung von Abschlüssen beraten und Antragstellende bei aufenthaltsrechtlichen Verfahren begleiten soll. Die zentrale Servicestelle ist zunächst bis Ende 2023 befristet.
  • Das Ziel bei den Anerkennungsverfahren ist es, eine Anerkennung innerhalb von drei Monaten nach Einreichung aller erforderlichen Unterlagen abzuschließen. Ein Visum für Fachkräfte soll künftig im Zeitraum von maximal vier Wochen ausgestellt sein.
  • Arbeitssuchende aus Drittstaaten, die noch nicht über einen qualifizierten Berufsabschluss, aber über Basisqualifikationen verfügen sowie ein Arbeits- oder Jobangebot vorweisen können, können zur Erlangung eines qualifizierten Berufsabschlusses weitergebildet werden. Hierbei muss sich der künftige Arbeitgeber verpflichten, die Arbeitskraft innerhalb von zwei Jahren so weiterzubilden, dass sie die berufliche Qualifikation erhält.
  • Wer in Deutschland seit vier Jahren einen Aufenthaltstitel besitzt, als Fachkraft in einem seiner Qualifikation entsprechenden Job arbeitet und mindestens vier Jahre in die Rentenkasse eingezahlt hat, erfüllt die Voraussetzung für eine dauerhafte Niederlassung in unserem Land. Bei Fachkräften mit Abschluss einer Berufsausbildung oder eines Studiums in Deutschland beträgt die Frist nur zwei Jahre.