Anerkennung: Ausländische Pflegekräfte

NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann über mangelnde Ausbildungskapazitäten in der Pflege: »Der Spaß ist zu Ende!«

Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann und Prof. Dr. Michael Isfort auf dem Pflegetag Nordrhein-Westfalen in Bochum

Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann und Prof. Dr. Michael Isfort auf dem Pflegetag Nordrhein-Westfalen in Bochum

Minister Karl-Josef Laumann ist für Klartext bekannt. Und als Hauptredner auf dem Pflegetag NRW 2019 in Bochum, ausgerichtet vom Deutschen Berufsverband für Pflegeberufe DBfK, ließ er keinen Zweifel daran, dass es höchste Zeit für klare Worte ist. »Der Pflegekräftemangel ist über Jahre nicht zu lösen und wird uns über viele, viele Jahre begleiten.«

Der NRW-Gesundheitsminister forderte, dass wesentlich mehr Pflegekräfte ausgebildet werden müssten. Darüber hinaus sei NRW darauf angewiesen, ausländische Pflegefachkräfte zu werben und ihre berufliche Anerkennung zu beschleunigen. Er erwarte eine entsprechende Willkommenskultur.

Pflegeschulen in NRW bieten zu wenig Ausbildungskapazitäten an

Besonders scharf kritisierte der Minister die aus seiner Sicht ungenügende Ausbildungskapazität in den Pflegeberufen. Krankenhäusern würden einfach zu wenig Ausbildungsplätze anbieten. Es gäbe Pflegeschulen, die sich »vollkommen von der Realität der Krankenhäuser verabschiedet haben«. Er forderte eine Mentalitätsveränderung in den Pflegeschulen. Krankenpflegeschulen seien doppelt so gut ausgestattet wie Schulen in der Altenpflege, aber die Altenpflege habe die Zahl der Ausbildungsplätze verdoppelt, während er dies für die Krankenpflege nicht sehen könne. Die Krankenpflegeschulen würden nicht mehr ausbilden als vor zwanzig Jahren, obwohl viele Pflegeschulen mehr Bewerbungen hätten, als sie annehmen würden.

Karl-Josef Laumann bemängelte, dass insbesondere die Maximalversorger den Ausbildungsbedarfen nicht im Geringsten gerecht würden. Das Land NRW habe einen großen Ausbildungsfonds aufgelegt. Der Ausbildungsberuf Krankenpflege bekäme inzwischen die zweithöchste Ausbildungsdotierung von Berufen in NRW überhaupt. Mit 1000 € im ersten Ausbildungsjahr sei die Vergütung sehr attraktiv gestaltet, so Minister Laumann. Schulen erhielten zudem 600 € pro Auszubildenden in Theorie und Praxis. Keiner könne ihm also sagen, die Ausbildung würde zu hohe Kosten verursachen, ganz im Gegenteil: »Da werden einige noch Geld übrig behalten. Ich werde mir«, so Laumann, »dies Krankenhaus für Krankenhaus in NRW anschauen: Der Spaß ist zu Ende!«

Und wo bleibt das Positive?

Minister Laumann verwies mit gleichem Nachdruck aber auch auf ein Positivbeispiel. Ganz besonders habe ihn die Ausbildungsqualität und Ausbildungsquantität eines großen Ausbildungszentrums für Pflegeberufe in Essen überzeugt, das er kürzlich besucht habe und das sich durch herausragende Qualität, großes Engagement und Zugewandtheit zu den Lernenden auszeichne. Und, so Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann, diese Schule akquiriere gerade auch im Essener Norden, dort, wo Menschen Ausbildungen suchen. Seiner Ansicht nach gehöre eine Pflegeschule in Köln in den Stadtteil Chorweiler. Mit niedrigschwelligen Angeboten und begleitenden Kursstrukturen und Fördermaßnahmen müsse versucht werden, Menschen für die Krankenpflege zu begeistern, in dem man auf sie zugehe und Angebote mache. So seien auch neue Zielgruppen zu gewinnen.

»Wir müssen ausbilden, ausbilden, ausbilden.«

Nordrhein-Westfalen brauche eine Doppelstrategie. Neben vermehrten Ausbildungsangeboten »müssen wir attraktiv werden für Menschen, die aus dem Ausland zu uns kommen, und für diese Menschen brauchen wir zugewandte Anerkennungsverfahren.«

Gleichwohl bleibe es immer problematisch, Fachkräfte im Ausland zu rekrutieren, insbesondere, wenn massenhaft Fachkräfte in bestimmten Ländern abgeworben werden. Mit dem Beispiel Rumänien wies er darauf hin, dass man sich die Frage stellen müsse: Ist das gerecht? Einige Personalrecruiter würden Ärztinnen und Ärzte sowie Pflegepersonal in Ländern abwerben, die dieses Personal selbst dringend bräuchten.

Deutlich wies Laumann in seiner Rede darauf hin, dass auch die Arbeitsbedingungen in der Pflege angeschaut und geändert werden müssten. In großem Stile nur Teilzeitstellen anzubieten, würde der Pflegeversorgung der Menschen nicht gerecht, aber auch nicht den Arbeitskräften, die sich mehr engagieren wollen. Gute Arbeitsbedingungen seien eine Voraussetzung für eine langjährige und gute Arbeit in der Pflege, und »wir müssen schauen, dass die Schere in unserem Land zwischen denen, die viel haben, und denen, die nur wenig haben, sich nicht noch weiter öffnet.« Sozialpolitiker Laumann wies in diesem Zusammenhang auf die Tradition der Sozialpolitik in NRW unter Berufung auf Karl Arnold hin.

Er mahnte eine Zusammenarbeit und ein gemeinsames Streiten für bessere Arbeitsbedingungen in der Pflege an, ein Weg, bei dem, so Laumann, es zwingend notwendig sei, dass Pflegekammern und ver.di zusammenarbeiten. Mit deutlichem Tadel an der Situation in anderen Bundesländern wies Laumann darauf hin, dass nur ein gemeinsames Streiten zum Ziel führe. Pflegekammer und Gewerkschaft hätten unterschiedliche Zuständigkeitsbereiche, sie sollten ihre Ressourcen nicht damit vergeuden, gegeneinander anzutreten.

»Kulturalisierung kann Konflikte am Arbeitsplatz Pflege verschärfen«: Gesundheitspflegekongress von Springer am 1. und 2. November 2019 in Hamburg

Krankenhäuser und Altenpflegeeinrichtungen brauchen immer mehr Pflegekräfte aus dem Ausland. So ist die Zahl der Fachkräfte für Gesundheits- und Krankenpflege, die pro Jahr nach Deutschland kommen, in den letzten Jahren auf das Sechsfache gestiegen: Von knapp 1.500 im Jahr 2012 auf über 8.800 im Jahr 2017.

»Doch viele bleiben nicht, sie wechseln die Abteilung oder das Krankenhaus, gehen in ein anderes Land oder kehren in ihre Heimat zurück«, berichtet Dr. Minna-Kristiina Ruokonen-Engler vom Institut für Sozialforschung an der Universität Frankfurt. »Das ist angesichts des hohen Aufwands für beide Seiten eine unbefriedigende Situation.«
Wie läuft die betriebliche Integration am Arbeitsplatz Pflege, wo liegen die Probleme? Dieser Frage geht eine Studie der Hans-Böckler-Stiftung auf den Grund, die Ergebnisse stellt Ruokonen-Engler auf dem 17. Gesundheitspflege-Kongress am 1. und 2. November 2019 in Hamburg vor.

Die Sozialwissenschaftlerin und ihre Kollegen haben insgesamt 60 einheimische und zugewanderte Pflegefachkräfte sowie ihre Vorgesetzten zu ihren Erfahrungen befragt. Ein Ergebnis: »Viele Pflegefachkräfte aus dem Ausland sind frustriert, weil sie das Gefühl haben, ‚unter Wert’ arbeiten zu müssen«, sagt Ruokonen-Engler. Im Gegensatz zu Deutschland haben nämlich Pflegefachkräfte zum Beispiel aus Spanien, Portugal, Griechenland und Polen an Hochschulen studiert und sind es gewohnt, mehr medizinnahe Tätigkeiten und Management-Aufgaben zu übernehmen, die in Deutschland meistens Ärztinnen und Ärzten vorbehalten sind. Betten machen oder Waschen der Patienten sind in ihren Herkunftsländern oft Tätigkeiten, die Hilfskräfte übernehmen. Weiterlesen

Ist Deutschland bei ausländischen Fachkräften gefragt?

Eine aktuelle Verlautbarung aus dem Bundesministerium für Bildung und Forschung BMBF weist auf neue Zahlen bei der beruflichen Anerkennung ausländischer Abschlüsse hin und konstatiert ein großes Interesse an der Fachkräftezuwanderung. Insbesondere gäbe es starke Zuwächse in den Pflegeberufen. Bundesbildungsministerin Anja Karliczek sagt:

»Qualifizierte Fachkräfte haben ein großes Interesse an einer Beschäftigung in Deutschland, das zeigen die neuen Zahlen des Statistischen Bundesamts. Das Anerkennungsverfahren zur Prüfung ausländischer Berufsqualifikationen ist dabei die verlässliche Orientierungshilfe für Fachkräfte und Betriebe. Es stellt sicher, dass die Qualifikationsanforderungen für eine Berufsausübung in Deutschland erfüllt sind. Gleichzeitig erleichtert es die rasche Integration von Zugewanderten in qualifizierte Beschäftigung und stärkt damit den Wirtschaftsstandort Deutschland. Weiterlesen

Susanne Krey im Interview über die Integration ausländischer Pflegefachkräfte: »Das Wichtigste ist die Liebe zu unserem Beruf.«

Susanne Krey, Pflegedirektorin des Heilig Geist-Krankenhauses Köln, auf dem Deutschen Pflegetag 2019 in Berlin

Susanne Krey, Pflegedirektorin des Heilig Geist-Krankenhauses Köln, auf dem Deutschen Pflegetag 2019 in Berlin

Susanne Krey gehört zu den Pflegedirektorinnen, die sich in Nordrhein-Westfalen besonders engagieren für die Integration ausländischer Pflegefachkräfte. Über die Louise von Marillac-Schule werden Pflegekräfte ausgebildet wie auch in weiteren katholischen Pflegeschulen. Von derzeit fünf auch mit Hilfe des Förderprogramms IQ / IQ Netzwerk NRW geförderten Pflegeprojekten sind allein vier in katholischer Trägerschaft in Köln, Dortmund, Wuppertal und Münster. Katholische Pflegedirektorinnen engagieren sich auch herausragend im Wissenschaftlichen Beirat des Programms IQuaMed. Zahlreiche weitere Projekte in Regelförderung entstehen zurzeit und bieten langfristige Angebote über das mibeg-Institut Medizin. Im Verbund mit vielen anderen Initiativen auch von Seiten der Universitätsklinika zeigt sich so in Nordrhein-Westfalen die Integrationsbereitschaft der Pflege.

anerkennung-medizin.de: Die Krankenhäuser der Cellitinnen haben eine lange Tradition in der Aufnahme ausländischer Pflegefachkräfte. Wie hoch ist im Heilig Geist-Krankenhaus der Anteil der Pflegefachkräfte mit Migrationshintergrund?

Susanne Krey: Die Cellitinnen haben in der Tat eine gute Tradition und viel Erfahrung in der Zusammenarbeit mit Pflegefachkräften aus vielen Ländern. Es ist uns ein ganz besonderes Anliegen, die Kolleginnen und Kollegen gut auszubilden und ihnen langfristige Perspektiven zu bieten. In unserem Krankenhaus haben rund 40 Prozent der Pflegefachkräfte einen Migrationshintergrund. Weiterlesen

Deutscher Pflegetag 2019 eröffnet

Franz Wagner, Präsident des Deutschen Pflegerats, und Christine Vogler, Vizepräsidentin des Deutschen Pflegerats, eröffnen den Deutschen Pflegetag 2019 in Berlin

Franz Wagner, Präsident des Deutschen Pflegerats, und Christine Vogler, Vizepräsidentin des Deutschen Pflegerats, eröffnen den Deutschen Pflegetag 2019 in Berlin

In Berlin ist der Deutsche Pflegetag eröffnet worden. Die Veranstalter des größten deutschen Fachkongress der Pflegebranche verbuchen in diesem Jahr eine Rekordbeteiligung: An drei Tagen werden 10.000 Besucherinnen und Besucher erwartet. Zentrale Themen des Kongresses sind die weitere Optimierung der Qualität in der Pflege und die Verbesserung der Arbeitsbedingungen der Beschäftigten. Als Referenten sind Jens Spahn, Bundesminister für Gesundheit, und Franziska Giffey, Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, beim Deutschen Pflegetag dabei, und selbstverständlich auch der Pflegebevollmächtigte der Bundesregierung, Staatssekretär Andreas Westerfellhaus.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, Bundesfamilienministerin Franziska Giffey und der Staatssekretär im Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Björn Böhning, auf dem Deutschen Pflegetag 2019

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, Bundesfamilienministerin Franziska Giffey und der Staatssekretär im Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Björn Böhning, auf dem Deutschen Pflegetag 2019

In seinem Eröffnungsstatement betonte Spahn, Deutschland sei auf Pflegekräfte aus dem Ausland angewiesen, die Gewinnung von Pflegekräften sei das große Thema der Politik in den nächsten Jahren. Dabei sei die Kompetenz, auch die Sprachkompetenz der Pflegefachkräfte wichtig. Man dürfe nicht so tun, als könne jeder diesen Beruf ausüben, frei nach dem Motto: »Da haben wir ein paar Flüchtlinge, dann nehmen wir die«. Eine weiter verbesserte Qualität, gute Arbeitsbedingungen, eine angemessene Entlohnung und eine verbesserte Ausbildung seien wichtig und müssten angegangen werden.

Giffey betonte, Pflege dürfe nicht nur in Richtung Altenpflege gedacht werden und sei viel mehr als das. Sie plädierte für deutlich attraktive Bildungswege in der Pflege.

Zur aktuellen Debatte um die Bundespflegekammer sagte Spahn, bei all diesen Fragen könne eine solche Berufsvertretung ein wichtiger Ansprechpartner werden. Wichtig sei jetzt, dass sich die Pflegenden auf Landesebene klar zur Pflegekammer positionieren. Dass die Bundespflegekammer ganz oben auf der Agenda der Pflege steht, zeigte der donnernde Applaus des Auditoriums.