Anerkennung: Bundesinstitut für Berufsbildung BIBB

Wie lange dauert die Anerkennung ausländischer Berufsqualifikationen bei Gesundheitsfachkräften?

Bundesinstitut für Berufsbildung BIBBErnüchternde Ergebnisse zeigen die ersten Daten einer Befragung durch das Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) auf: Bei den reglementierten Berufen ist bei einigen EU-Abschlüssen ohnehin eine automatische Anerkennung gegeben, hier wurden knapp 90 Prozent binnen drei Monaten beschieden. Ganz anders sieht es bei den Gesundheitsberufen aus, die nicht automatisch anerkannt werden können, wie das etwa regelmäßig bei Nicht-EU-Abschlüssen der Fall ist. Hier dauert das Verfahren im Durchschnitt 15 Monate, aber häufig warten Interessenten viel länger auf ihre Anerkennung. Das BIBB hält fest:

Von den reglementierten Berufen, bei denen die Anerkennung zwingende Voraussetzung für die Berufszulassung ist, wie bei Ärzten und Ärztinnen sowie Pflegefachleuten, können einige EU-Abschlüsse automatisch anerkannt werden. Dies beruht darauf, dass innerhalb der EU die Ausbildungsordnungen aneinander angeglichen sind. 2020 wurden 87 Prozent binnen drei Monaten beschieden (+7 Prozentpunkte im Vergleich zu 2017).

Anders sah es bei den Verfahren zu den reglementierten Berufen aus, die nicht automatisch anerkannt werden. Den meisten dieser Verfahren liegen Abschlüsse zugrunde, die außerhalb der EU erworben wurden. Die Quote der in vier oder weniger Monaten beschiedenen Verfahren blieb hier konstant bei knapp 75 Prozent, zudem wurden deutlich mehr Verfahren beschieden. Bei einem großen Teil dieser Verfahren enthielt der erste Bescheid allerdings die Auflage, an einer Ausgleichsmaßnahme teilzunehmen, um die volle Gleichwertigkeit zu erreichen. Aus Sicht der Antragstellenden verlängerte sich dadurch im Vergleich zur reinen Bearbeitungszeit das Verfahren: im Durchschnitt dauerte es zuletzt rund 15 Monate, in vielen Fällen auch deutlich länger.

Hier zeigt sich für Deutschland ein gravierender Handlungsbedarf, und viele Anerkennungssuchende und Arbeitgeber fragen zurecht, wie es nach den millionenschweren Programmen, die über viele Jahre aufgelegt worden sind, zu einem solchen negativen Ergebnis kommen kann.

Das Wort Fachkräftemangel ist schließlich in aller Munde und kann nicht nur zur Neuauflage von immer wieder ähnlichen Projekten führen, die immer gleiche Strukturen in bestimmten Organisationen mit öffentlichen Mitteln bedienen.

Die Forderungen des mibeg-Instituts sind wiederholt vorgebracht worden

Gefragt sind einfache, klare Zuständigkeiten, die gleich in allen Bundesländern greifen, genügend Personal- und Sachmittelressourcen bei den zuständigen Stellen, weg von der Projektmittelförderung hin zu der Verstetigung von Beratungs- und Qualifizierungsangeboten. Dabei sollten die Beratungsangebote über die Bundesagentur für Arbeit dauerhaft und professionell erfolgen und die Qualifizierungsangebote in den Bundesländern – am Bedarf orientiert – mit einem langfristig abgesicherten Planungshorizont möglich sein.

Es zeigt sich: Der Markt regelt nicht alles

In bestimmten Regionen gibt es ein Überangebot an Beratung und Qualifizierung, in anderen Bereichen bestehen keine Angebote. Und nein, es kann bei hochspezialisierten Berufen vom Arzt bis zur Hebamme, von der Apothekerin bis zum Ergotherapeuten, nicht landauf landab „vor Ort“ immer dann ein Angebot gemacht werden, wenn es gerade gebraucht wird, sondern es müssen Lernorte geschaffen werden, wo eine notwendige sprachliche, fachsprachliche und fachliche Qualifizierung zur direkten beruflichen Anerkennung, also zur Berufszulassung oder Approbation führt. Wie soll Deutschland für Gesundheitsfachkräfte attraktiv sein, wenn alleine der Antrag auf Berufsanerkennung im Durchschnitt über 15 Monate dauert? Und wenig hilfreich in diesem Zusammenhang ist auch, dass die Fördermittel für Deutschkurse im Ausland zusammengestrichen werden, was derzeit die Goethe-Institute beklagen.

Was kostet die ärztliche Kenntnisprüfung?

Teuer, teurer, am teuersten: Nein, dies ist keine Sprachübung, sondern beschreibt die Entwicklung der Gebühren für ausländische Ärztinnen und Ärzte, die in Deutschland an einer Kenntnisprüfung teilnehmen müssen.

Zwar werden von vielen Krankenhäusern händeringend Assistenzärzte gesucht, aber für nahezu alle ausländischen Ärzte, die aus sogenannten Drittstaaten kommen, steht eine Kenntnisprüfung an.

Die Kenntnisprüfung wird durch das jeweilige Landesprüfungsamt organisiert und verantwortet. In den Bundesländern werden unterschiedliche Einrichtungen vom Landesprüfungsamt mit der Durchführung beauftragt. Die teils sehr hohen Gebührensätze wurden schon als lukratives Geschäftsfeld von einem Kursanbieter entdeckt, der ein Geschäftsmodell über Sprachkurse, Fachsprachkurse, Vorbereitungskurse bis hin zur Prüfungsabnahme durch von ihm beauftragte Dozenten etablieren wollte. Hier haben die Landesprüfungsämter zu Recht einen Riegel vorgeschoben.

Die beauftragten Universitäten hatten eine gute Routine ausgebildet. In NRW hatte die Bezirksregierung Düsseldorf beispielsweise angeregt, Kenntnisprüfungen für ausländische Ärzte in unmittelbarer zeitlicher Nähe zu Prüfungen des dritten medizinischen Staatsexamens an Universitäten durchzuführen. Dann wurde aber für dieses Bundesland entschieden, die Ärztekammern mit der Durchführung zu beauftragen.

Dabei wurden die Prüfungsgebühren in NRW von ursprünglich 650 € auf nunmehr 1.050 € angehoben. Teurer sind die Prüfungsgebühren nur noch in Hessen und Rheinland-Pfalz. In Schleswig-Holstein beispielsweise beträgt die Gebühr für die Kenntnisprüfung 350 €. In Thüringen werden die Gebühren für die Überprüfung eines gleichwertigen Ausbildungsstandes je nach Aufwand ermittelt und können bis zu 400 € betragen, folgt noch eine Kenntnisprüfung, sind zusätzlich 450 € fällig.

Eine sehr gute Übersicht zu den Prüfungsgebühren im gesamten Bundesgebiet hält das Auslandsreferat des Marburger Bunds Bundesverband bereit.

Zu diesen Prüfungsgebühren kommen dann noch Vorbereitungskosten hinzu. Es ist mit Kosten für die notwendige Literatur zu rechnen sowie mit Kursgebühren, da es erfahrungsgemäß wenig ratsam ist, sich ohne gezielte Vorbereitung der Prüfung zu stellen.

Sind Gutachten nun ein Ausweg?

Der Weg über ein Gutachten wird häufig gewählt, da eine Prüfung nachvollziehbarerweise als aufwendig angesehen wird. Aber auch die Kosten für das Gutachten müssen übernommen werden. Auch hier sind die Beträge unterschiedlich, umfassen aber ebenfalls mehrere hundert Euro. Da zudem das Gutachten im Ergebnis oft aussagt, dass eine vollständige Gleichwertigkeit nicht konstatiert werden kann, bleibt nur der Weg über die Kenntnisprüfung, und man zahlt dann zweifach hohe Gebühren.

Wenn in Deutschland ausländische Ärztinnen und Ärzte eingeworben werden sollen, muss dieses System überprüft werden.

Wenn Körperschaften öffentlichen Rechts prüfen, stellt sich die Frage, warum eine Facharztprüfung etwa 130 € kostet, eine Fachsprachprüfung beispielsweise 350 €, eine Kenntnisprüfung aber teilweise mehr als 1.000 €, im Wiederholungsfalle dann mehr als 2.000 €.

Hinzu kommen noch Kosten für Übersetzungen, Beglaubigungen, Anfahrten, Übernachtungen und vieles mehr. Dankenswerterweise hat der Bund mit der Einrichtung des Anerkennungszuschusses eine Hilfe eingerichtet, aber auch diese Fördermöglichkeit muss erst gefunden werden.

Ein einheitlicher, transparenter und nachvollziehbarer Gebührensatz sowie die Möglichkeit der Unterstützung durch den zukünftigen Arbeitgeber oder durch öffentliche Förderung wären hier hilfreich und wünschenswert.

Sonderfonds: Förderprogramme bei Anerkennungsverfahren gehören auf den Prüfstand

Anerkennungsgesetze in Bund und Land zielen auf die schnellstmögliche berufliche Integration der zuwandernden Fachkräfte. Es besteht der Anspruch, dass die mitgebrachten Qualifikationen, die in Ausbildung, Studium und Berufserfahrung gesammelt wurden, individuell gewertet werden und in Bezug auf einen Referenzberuf, also auf die vergleichbare Tätigkeit in Deutschland, angerechnet werden.

Die Anerkennungsgesetze begründen eine Erfolgsgeschichte

BIBB Anerkennungsbericht 2019Über Anerkennungsberatung, Anerkennungsqualifizierung und die Aufnahmebereitschaft des Arbeitsmarktes sind Zehntausende von Fachkräften erfolgreich in Deutschland gestartet. Das Anerkennungsmonitoring des Bundesinstituts für Berufsbildung BIBB übernimmt dankenswerterweise die Aufgabe, diese Erfolgsgeschichte zu dokumentieren.

Nicht in jedem Fall kann eine berufliche Anerkennung bei den Anerkennungssuchenden ausgesprochen werden. Die zuständigen Stellen erstellen dann einen Bescheid, aus dem klar hervorgeht, was noch zu leisten ist, damit eine solche Anerkennung erlangt werden kann.

Der größte Teil der Anerkennungssuchenden hat einen Beruf im Gesundheitswesen. Und hier besteht noch eine zusätzliche Hürde, da es sich oft um reglementierte Berufe handelt, also Berufe, in denen der Staat eine besondere Prüfung der beruflichen Qualifikation vornimmt, da der Schutz und das Wohl von Patient:innen dies gebietet. Gleichwohl gelingen hier Anerkennung und Integration in immer größerem Ausmaß und in einem zahlenmäßig beeindruckenden Umfang. Dies ist nicht zuletzt dem Engagement der zuständigen Stellen und der Gutachtenstelle für Gesundheitsberufe zu verdanken.

Fachkräfte im Gesundheitswesen müssen zur Erlangung der Approbation oder Berufszulassung sprachliche und fachliche Prüfungen ablegen. Hier ist es mithilfe der Bundesagentur für Arbeit und mit speziellen Förderprogrammen, hier vor allem dem Förderprogramm »Integration durch Qualifizierung (IQ)«, das die Startphase der Anerkennungsgesetze begleitete, gelungen, zahlreiche Beratungs- und Qualifizierungsangebote zu etablieren.

Und das Beste: Mithilfe der Bundesagentur für Arbeit ist eine Struktur geschaffen worden, die häufig notwendigen Qualifizierungsangebote dauerhaft zu implementieren. Möglich wird dies durch die Förderung nach AZAV, eine Förderung, die von Weiterbildungsinstitutionen ein Qualitätsmanagementsystem verlangt, einen effektiven und effizienten Umgang mit öffentlichen Mitteln und eine Erfolgsorientierung im Sinne einer hohen Arbeitsmarktintegrationsquote der Geförderten.

Etwas, was also für die zahlenmäßig größten Berufsgruppen im Anerkennungsprozess gut funktioniert, soll in anderen Branchen nicht klappen?

Das legt zumindest eine Diskussion nahe, die immer wieder aufflammt, insbesondere dann, wenn Förderprogramme auslaufen. Um den Bedingungen der AZAV nicht entsprechen zu müssen und ungleich lukrativere Fördermöglichkeiten in Anspruch zu nehmen, wird auch auf die Bedeutung individueller Anpassungslehrgänge gesetzt, und dies vor allem in Branchen, in denen am Ende des Anerkennungsprozesses häufig kein Meistertitel oder Gesellenbrief steht, sondern »nur« eine Äquivalenzbescheinigung.

Diese Äquivalenzbescheinigungen werden aber im Arbeitsmarkt immer noch als kritisch angesehen. Schon bei der Ratifizierung der Anerkennungsgesetze wurde in entsprechenden Fachforen, beispielsweise der IHK Köln, problematisiert, dass bei vielen Gewerken Äquivalenzbescheinigungen zu Schwierigkeiten führen, da beispielsweise im Bau oder bei Installationen Projekte nicht abgenommen werden, weil Versicherungen den vermeintlich nicht »richtigen« Qualifizierungsnachweis beanstandeten.

Individuelle Anpassungslehrgänge stellen sehr hohe Anforderungen an eine Organisationsstruktur, da ein Betrieb jemanden einzeln in Theorie und Praxis qualifizieren soll. Dies kann ein Betrieb oft nicht leisten. Nicht nur im Handwerk gibt es hier Probleme, auch Krankenhäuser haben gleich reihenweise deutlich gemacht, dass die individuelle Qualifizierung von Pflegefachkräften so nicht leistbar ist.

Und im Unterschied zu teuren individuellen Anpassungslehrgängen sind die – zunächst über Modellprojekte geschaffenen – Kursqualifizierungen bundesweit überaus erfolgreich, denn was in vielen Anerkennungsbescheiden eines Berufes wiederkehrt, kann gebündelt und gemeinsam in Kursform AZAV-unterstützt gelehrt werden. Auf besondere individuelle Fragestellungen kann dann in einer entsprechenden Praxisphase eingegangen werden.

So kann den Anerkennungssuchenden ein schneller und guter Weg aufgezeigt werden, Organisationen und Betriebe können entlastet werden und schneller eine Fachkraft adäquat einsetzen. Bildungseinrichtungen von Handel, Industrie und Handwerk können sehr gut solche Weiterbildungsangebote, nachrangig zu freien Trägern, anbieten. Themen von A wie Arbeitsschutz bis Z wie Zusammenarbeit im Team plus Fachsprachkenntnisse lassen sich gut in Lerngruppen organisieren, die dazu noch durch den sozialen Lernzusammenhang ermutigend und motivierend wirken können.

Die Betonung von individuellen Anpassungslehrgängen ist vielleicht deshalb nur ein Thema von Verbänden, Kammern und ähnlichen Organisationen, da sie sich auf die umfangreiche Finanzierung der öffentlichen Hand mit Mitteln aus Land und Bund eingestellt haben. Zahlreiche Personalstellen in diesen Organisationen werden mit Hilfe dieser Förderprogramme finanziert. Von daher ist verständlich, warum hier eine bestimmte Lobbyarbeit betrieben wird.

Förderprogramme und der Outcome bisheriger Projekte gehören auf den Prüfstand

Karl-Josef Laumann, Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen; © Land NRW / Martin Götz

Karl-Josef Laumann, Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen; © Land NRW / Martin Götz

In Nordrhein-Westfalen ist das Problem längst erkannt. Karl-Josef Laumann, der derzeit eher als Gesundheitsminister bekannt ist, da er die Herausforderungen der Pandemie managt und die größte Impfaktion aller Zeiten in diesem Bundesland an den Start bringt, ist auch als Arbeitsminister engagiert. Er betonte schon 2018 in einem Landtagsausschuss: »Damit das jeder weiß: Ich will, dass das Geld bei den Leuten ankommt. Deswegen sehe ich mir die Strukturen ganz genau an (…), was da an Stellen bei Kammern und Wohlfahrtsverbänden finanziert wird. Gelegentlich muss man zusehen, dass das in einem vertretbaren Verhältnis steht«.

Förderprogramme, die auf Bundesebene initiiert werden, haben alle den Anspruch auf Erfolg und Verstetigung. Die Spielregeln der Verstetigung sollten dabei so gestaltet sein, dass Förderprogramme so effizient und effektiv wie möglich gehandhabt werden. Die Überleitung von Seminarprogrammen des Förderprogramms IQ in Sprachqualifizierungen des BAMF oder Berufsqualifizierungen nach AZAV zeigt auf, wie gut und erfolgreich dies gelingen kann.

Auf der Fachtagung »Transfer von IQ Qualifizierungen in die Regelförderung durch AZAV-Zertifizierung« wurde dies bereits deutlich. Erwähnenswert ist auch, dass sich die zuständigen Bundesministerien sogar noch dabei engagieren, Trägern behilflich zu sein, AZAV-unterstützte Programme anzubieten. Mehr Unterstützung ist kaum denkbar.

Dass man gerne einen Sonderfonds zur Verfügung hätte, anstatt die fachlichen und qualitativen Hürden der AZAV zu nehmen, ist bei dem Anteil der so finanzierten Personalstellen nachvollziehbar, aber bei der Finanzlage der öffentlichen Haushalte ist es sicherlich in allen Berufsbranchen möglich, bewährte Instrumente der Regelförderung zu nutzen. Allzumal in Zeiten der Pandemie der Wunsch nach Sonderfonds besonders überlegt werden sollte.

Denn zurzeit ist zu Recht das vorherrschende Thema die Bewältigung der pandemischen Lage. Hier ist in Land und Bund durch ein Bündel von Maßnahmen und die anlaufende Impfaktion Gutes auf den Weg gebracht.

Fachkräfteeinwanderung wird zukünftig wieder ein großes Thema werden

Bei der Fachkräfteintegration sind nicht nur die öffentliche Hand, sondern auch die Unternehmen gefordert, die Fachkräfte benötigen. Hier sollten Land und Bund Prüfinstrumente entwickeln, dass für Anerkennungsinteressierte, die in Deutschland ihre fachlichen und persönlichen Kenntnisse einbringen möchten, der Weg fair und offen gestaltet und nicht die Möglichkeit zur kruden Abzocke geboten wird.

Melita Grieshop: »Anerkennungsqualifizierungen für Hebammen in innovativer Form«

Prof. Dr. Melita Grieshop, Evangelische Hochschule Berlin; © Melita Grieshop / Ev. Hochschule Berlin

Prof. Dr. Melita Grieshop, Evangelische Hochschule Berlin; © Melita Grieshop / Ev. Hochschule Berlin

Prof. Dr. Melita Grieshop leitet den dualen Bachelor-Studiengang Hebammenkunde an der Evangelischen Hochschule in Berlin (EHB). Die erfahrene Hebamme und Dipl.-Pflegepädagogin ist zugleich Projektleiterin von Anpassungslehrgängen für Hebammen aus Drittstaaten sowie für Praxisanleiter:innen. Ihr Integrationsprojekt zu Anerkennungsqualifizierungen von Hebammen startete 2019 erfolgreich.

Wir fragen Prof. Grieshop für anerkennung-medizin.de nach den Erfordernissen, um eine Anerkennungsqualifizierung für Hebammen dauerhaft in Deutschland zu etablieren.

anerkennung-medizin.de: Die Hebammenkunde ist längst auf dem Weg der Akademisierung, Sie leiten den Bachelor-Studiengang Hebammenkunde an der Evangelischen Hochschule Berlin. Wie erfolgreich ist der Prozess der Akademisierung der Hebammenkunde bislang gelaufen? Welche Meilensteine konnten erreicht werden?

Prof. Dr. Melita Grieshop: Im Jahr 2019 konnten wir über die Novellierung des Hebammengesetzes endlich die Vollakademisierung des Hebammenberufs erreichen. Zukünftig bzw. mit einer kurzen Übergangsphase werden alle Hebammen ihren Beruf an einer Hochschule erlernen. Zahlreiche Hochschulen wie die EHB haben in den vergangenen zwölf Jahren während der Modellphase schon sehr gute Erfahrungen damit gemacht. Die Absolvent:innen der EHB finden sehr gut Zugang zum Arbeitsmarkt und/oder sind in der ambulanten Versorgung der Frauen und Familien tätig. Allerdings nutzen die Geburtskliniken das Potential der Hochschulabsolvent:innen noch nicht gut genug.

Die Hebammen B.Sc. würden sich gern mehr in die Organisation, Qualitätsverbesserung und Professionalisierung der Geburtshilfe einbringen. Denn Professionalisierung der Berufspraxis ist ein zentrales Ziel der Akademisierung. Zur Anpassung an das neue Hebammengesetz werden wir unseren Studiengang an der EHB 2021 in das neue Modell Hebammenwissenschaft (B.Sc. Midwifery) überführen und die Zahl der Studienplätze voraussichtlich bis auf 60 Studierende pro Jahr erhöhen.

Neben Forschung und Lehre leiten Sie ein Projekt zur beruflichen Anerkennung von außerhalb der EU erworbenen Abschlüssen der Hebammenkunde. Haben sich die Anerkennungsverfahren aus Ihrer Sicht qualitativ und quantitativ durch die Anerkennungsgesetze in Land und Bund für den Bereich Hebammenkunde verändert? Wie groß schätzen Sie den Fortbildungsbedarf von anerkennungssuchenden Hebammen ein?

Wir bieten unseren Anpassungslehrgang seit 2019 an. Er ist derzeit die einzige hochschulische Anpassungsmaßnahme für Hebammen. Damit haben wir uns von Beginn an an den qualitativen Anforderungen des hochschulischen Lernniveaus orientiert. Bis ca. 2018 gab es bundesweit nur einen fachschulischen Anpassungslehrgang, sodass die Teilnehmer:innen sehr weite Wege und hohe Kosten auf sich nehmen mussten. Die EHB erweitert dieses Angebot in innovativer Form. Pandemiebedingt haben wir inzwischen einen hohen Anteil online-basiertes Lernen eingeführt, sodass wir gut für eine Erweiterung über Berlin/Brandenburg hinaus vorbereitet sind.

Anerkennungsqualifizierung für Hebammen der Ev. Hochschule Berlin mit Unterstützung des Förderprogramms »Integration durch Qualifizierung (IQ)«; Foto © Baluschek / Ev. Hochschule Berlin

Anerkennungsqualifizierung für Hebammen der Ev. Hochschule Berlin mit Unterstützung des Förderprogramms »Integration durch Qualifizierung (IQ)«; Foto © Baluschek / Ev. Hochschule Berlin

Die Berufsgruppe der Hebammen ist im Vergleich z.B. zur Pflege oder zur Medizin eine eher kleine Gruppe. Daher wären regionale Anpassungslehrgänge in großer Zahl aufgrund zu geringer Nachfrage nicht kostendeckend.

Zudem sind die personellen Kapazitäten der Hochschulen durch Aufbau und Weiterentwicklung der Hebammenstudiengänge bundesweit sehr belastet, sodass nicht jede Hochschule personelle Kapazitäten für kleine Teilnehmendengruppen freimachen kann.

Aus dem Ausland kommende Hebammen erhalten häufig bei der Beantragung ihrer beruflichen Zulassung Anerkennungsbescheide, die in einem erheblichen Umfang eine Nachqualifizierung fordern. Welche Erfahrungen haben Sie durch das Projekt der Anerkennungsqualifizierung gewinnen können? Welche Lehrinhalte in Theorie und Praxis sehen Sie bei der Integration von aus dem Ausland kommenden Hebammen für notwendig und wünschenswert an? Weiterlesen

GQMG fordert in einem Positionspapier verbesserte Sprachkompetenz von ausländischen Pflegefachkräften

GQMG Gesellschaft für Qualitätsmanagement in der GesundheitsversorgungEin Positionspapier mit glasklaren Forderungen hat die GQMG-Arbeitsgruppe Pflege und Qualität unter der Leitung von Vivienne Thomas, Armin Hauss und Vera Lux vorgelegt. Vera Lux gehört dem Vorstand der GQMG an und ist deren stellvertretende Vorsitzende.

Die GQMG legt einen 13 Punkte umfassenden Katalog vor, der nicht nur einheitliche und standardisierte Verfahren zur Ermittlung der Sprachkompetenz fordert, sondern auch, dass Sprachprüfungen auf die Pflegekammern zu übertragen sind. Die Einschätzung der berufsspezifischen Sprachkompetenz müsse durch qualifizierte Praxisanleiter/innen erfolgen. Aus dem Ausland kommende Pflegefachpersonen müssten im deutschen Gesundheitssystem fortgebildet werden. Fachliche wie sprachliche Anerkennung hätten einheitlichen Kriterien zu folgen.

Die Arbeitsgruppe hat sich intensiv mit der Sprachkompetenz von ausländischen Pflegefachpersonen auseinandergesetzt und betont, dass bei dem hohen Bedarf an Pflegefachpersonen es jedoch »Anlass zur Sorge (gibt), dass es mehr um Quantität als um Qualität geht. Die Anforderungen an die Sprachkompetenz werden eher abgesenkt, um die Anwerbung und Berufsanerkennung ausländischer Pflegefachpersonen schneller zu realisieren. Aufgrund der prekären Lage auf dem Arbeitsmarkt in Deutschland ist die Rekrutierung ausländischer Pflegefachpersonen zu einem attraktiven Geschäftsmodell für Vermittler geworden.«

Von diesem Geschäftsmodell wollen nicht zuletzt auch zahlreiche Sprachvermittler profitieren, die teilweise nicht einmal über eine akademische Sprachvermittlungskompetenz im Bereich der Germanistik verfügen. In Schnellkursen ernannte Lehrer/innen für Deutsch als Fremdsprache oder Deutsch als Zweitsprache sind neben qualifiziert ausgebildeten Sprachlehrer/innen auf einem Markt unterwegs, in dem die Zielgruppen Medizin und Pflege eine besondere Bedeutung haben. Fachbegriffe in Medizin und Pflege werden häufig von Sprachvermittlern gelehrt, die selbst nicht über Berufsabschlüsse und -erfahrungen in diesen Bereichen verfügen. In der Folge sind nicht nur skurril anmutende Lehrbücher entstanden, sondern es werden auch Kurse durchgeführt, die zeitlich unzumutbar rund um die Dienstzeiten von hart arbeitenden Pflegehelfern organisiert werden und Zertifikate nach sich ziehen, die ihr Geld nicht wert sind.

Mit dem Positionspapier der GQMG wird deutlich, dass es zur Qualitätssicherung im Bereich der Pflege höchste Zeit ist, hier entsprechende Qualitätsstandards zu schaffen.

Die Forderungen der GQMG im Einzelnen:

  1. Die Anerkennung von international erworbenen Bildungsabschlüssen muss nach (bundes-)einheitlichen Kriterien erfolgen.
  2. Zur Berufsanerkennung als Pflegefachperson ist das Sprachniveau C1 gemäß dem Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen (GER) erforderlich.
  3. Im Rahmen des Anerkennungsverfahrens müssen die pflegerischen und medizinischen Fachtermini geprüft und in die Bewertung der Sprachkompetenz aufgenommen werden.
  4. Für die Sprachkompetenzprüfung ist ein einheitliches und standardisiertes Verfahren zu entwickeln und anzuwenden.
  5. Die Prüfung der Sprachkompetenz ist auf die Pflegekammern zu übertragen. In Bundesländern, wo noch keine Pflegekammer existiert, soll das Land dafür eine zentrale Stelle einrichten.
  6. Sprachschulen müssen eine Zertifizierung bzw. Akkreditierung nachweisen.
  7. Die Einschätzung der berufsspezifischen Sprachkompetenz im Rahmen des Anerkennungsverfahrens muss durch qualifizierte Praxisanleiter erfolgen.
  8. Für die Begleitung während der Anerkennungsphase in der jeweiligen pflegerischen Einrichtung sind qualifizierte Praxisanleiter freizustellen.
  9. Arbeitgeber müssen sprachliche Qualifizierungsangebote bereitstellen, um die sprachliche Qualifikation der internationalen Pflegefachpersonen weiter zu entwickeln und langfristig zu sichern.
  10. Zur Bindung von zugewanderten Pflegefachpersonen müssen Arbeitgeber spezifische, auf den Beruf und das soziale Umfeld ausgerichtete Integrationskonzepte entwickeln.
  11. Internationale Pflegefachpersonen müssen im deutschen Gesundheitssystem fortgebildet werden.
  12. Bereitstellung finanzieller Mittel für eine wissenschaftliche und praxisbezogene Forschung im Hinblick auf effektive Maßnahmen zu Rekrutierungs- und Bindungsaspekten sowie zu den Auswirkungen auf die pflegebedürftigen Menschen und Outcomes seitens der Politik.
  13. Einsatz von strukturierten Arbeitshilfen wie z.B. SBAR (Holtel et al. 2015) für eine zielgerichtete Kommunikation.